Süddeutschland (München)
Maserholz, Ahorn
Biedermeier um 1820
Maße: H x B x T: 150 x 89 x 47 cm
Beschreibung:
Ausgefallenes, zierliches und gut proportioniertes Schreibmöbel aus dem frühen 19. Jahrhundert.
Auf Löwentatzen vorn und auf Blockfüßen hinten stehendes Möbelstück mit zwei großen Schubladen unten, der abklappbaren Schreibplatte darüber, einer weiteren Schublade unterhalb des Gesimses und einer Kopfschublade ganz oben.
Charakterprägend ist neben den Pilastern mit Hermenabschluss vor allem das vollflächig aufgebrachte Maserfurnier (wohl Rüsterwurzel), das zwar stark strukturiert aber gleichzeitig fast richtungslos ist und die Oberfläche wie aus Stein erscheinen lässt. Die Flächigkeit des Möbels wird dezent unterbrochen von den sparsam eingelegten Schlüsselloch-Umrandungen.
Das ästhetische Verständnis des Erschaffers dieses Möbels zeigt sich auch an anderer Stelle. Schauen Sie sich bitte das Foto an, das das Möbel aus der Frontperspektive zeigt. Erst bei zweitem Hinsehen fällt auf, dass sich der flache Dreiecksgiebel, der kaum merklich aus der Front der Kopfschublade hervorsteht, in der Schräge der Deckplatte fortsetzt. Weiter erwähnenswert sind auch die Schlösser der beiden großen Schubladen mit kleeblattförmigem Dorn.
Das Innenleben des Sekretärs zeigt den Pariser Einfluss auch auf die Möbelgestaltung im deutschen Biedermeier. So sehen wir eine in Ahorn furnierte französische Aufteilung mit einem von Säulen flankierten, offenen Fach. Darunter gibt es fünf offensichtliche Schubladen und zwei nur über einen geheimen Mechanismus zu öffnende, grifflose Schübe ganz außen. Eine über die volle Breite reichende Schublade bildet den oberen Abschluss des Schreibfaches.
Wissenswertes zum Thema des französischen Einflusses im deutschen Möbelbau:
Deutsche Neuinterprätationen französischer Möbelstücke sind aus der Münchner Residenz bekannt und bei Hoyer/Ottomeyer - Die Möbel der Residenz München Bd. III beschrieben. So finden wir auf S. 101 einen zierlichen Sekretär aus dem Toilettezimmer von König Max I. Joseph, der um 1804 wohl aus Paris geliefert wurde. Er ist in Amarant furniert und mit reichen feuervergoldeten Bronzen beschlagen. Das Innenleben ist in Ahorn furniert.
Eine "eingedeutschte" Kopie dieses Möbelstückes ist auf S. 273 beschrieben. Der um 1820 entstandene Sekretär weist eine Oberfläche aus hellem Maserholz auf, das Innenleben bleibt weiterhin in Ahorn furniert, auf die Bronzebeschläge wurde gänzlich verzichtet.
Im Text heißt es hier wörtlich: Der Masersekretär ist unter Verwendung anderer Materialien eine formgleiche Kopie des Amarantsekretäres. Dabei steht sicherlich ein ästhetisches Interesse an der Verwandlung in eine andere, einfachere Formensprache im Vordergrund. Der Sekretär ist keine Kopie, sondern ein Experiment der Verwandlung von Empireformen in Biedermeierformen. Ein weiterer analoger Fall wurde bekannt: der >Bonheur de jour<-Sekretär aus Amboinaholz von Werner aus dem Jahr 1821 wurde für Schloss Tegernsee in einfachem Furnierholz und ganz ohne feuervergoldete Bronzebeschläge noch einmal angefertigt. Das Pariser Original wurde in München mit der Absicht kopiert, es in ein einfaches Furniermöbel mit glatten Flächen zu verwandeln, das durch die klare Form und nicht durch reichen Schmuck besticht.
Die strukturgleiche Kopie mit anderer Oberflächengestaltung ist das seltene Beispiel für die bewußte Entwicklung von Pariser Empireformen zu Münchner Biedermeierformen, die sich durch große Flächen auszeichnen, um die Naturformen der Holzmaserung ungestört zur Geltung kommen zu lassen.[...]
Wissenswertes zum Thema Maserholz:
[...] Eine andere Vorliebe der Zeit galt - über die großflächigen Furnierbilder hinaus - den stark strukturierten Furnieren, die entweder schimmernde Wellen und Lichter im Holz aufweisen wie Birke, Esche und Ahorn, oder die flammende, kleinteilige Zeichnungen des Wurzelmaserholzes zeigen. Mit diesem, nur schwer in Furnierblätter zu sägenden, äußerst harten Holz der Wurzelknollen oder dem Maserholz krankhafter Stammwucherungen, wurde ein ganz besonderer Kult getrieben. Während es im 18. Jahrhundert lediglich möglich war, kleine Stücke und schmale Streifen für Intarsien zu verwenden, erlaubten jetzt die mit Wasser - und Dampfkraft betriebenen neuen Kreis- und Bandsägen, größere Furnierflächen aus diesem extrem zähen Holz zu schneiden. Mit großem Eifer suchte man die verwachsenen alten Knollen aufzuspüren, die das gesuchte Holz lieferten; wenn es sich nicht in ausreichender Menge und Qualität fand, wurden Bäume verkrüppelt um das begehrte Rohmaterial zu gewinnen. [Ottomeyer, Schlapka - Biedermeier Interieurs und Möbel S. 113]
Zustand: Restaurierter und alltagstauglicher Zustand. Schellack handpoliert.
Zwei vollflächig in Maserholz furnierte und auf Tatzenfüßen stehende Sekretäre sind um 1815-20 in München entstanden.
Vergleichen Sie hierzu bitte die folgende Literatur:
Ottomeyer Schlapka - Biedermeier Interieurs und Möbel S. 115
Himmelheber - Biedermeiermöbel S. 89
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