Elsass / Oberrhein
Nussbaum, Ahorn u.a.
um 1780
Maße: H x B x T: 120 x 132 x 75 cm
Beschreibung:
Auf Spitzbeinen mit Trompe-l'œil Kannelierung stehendes Schreibmöbel mit zwei großen Schubladen unten, dem Schreibfach darüber und drei kleinen Schubladen in Reihe ganz oben.
Das Möbelstück wird dominiert von extravaganten Marketerien. So sind die Lisenen mit schattierten Münzbändern eingelegt, Friese und Filetbänder ziehen sich über die Traversen, die Sockelleiste und den Plattenrand.
Die Seiten des Möbelstückes sind durch Rahmen gegliedert in deren Zentren sich Medaillons mit nistenden Vögelchen als Symbol der Fruchtbarkeit sowie Pfeil und Bogen als Symbol der Liebe befinden.
Das Hauptaugenmerk aber gilt der viertelkreisförmigen Zylinderklappe, deren Einlegearbeit nicht nur beeindruckend aufgrund ihrer Feinheit und der Vielzahl der eingepassten Holzstückchen ist, sondern die in dieser Form und Fülle auch extrem selten zu finden ist.
Naturbelassene und teils grün gefärbte Hölzer - zu geometrischen Bändern zusammengeführt - bilden den Rahmen für das in der Mitte befindliche Rund, das einen Blick in eine maritime Welt gewährt.
Wir sehen eine romantisierte Fantasielandschaft mit Leuchtturm und Kaimauer vor einer kleinen Hafenstadt. Eine Figurenstaffage im Vordergrund beobachtet das geschäftige Treiben größerer und kleinerer Segelschiffe beim Manöver in der engen Bucht- oder Flussmündung.
Feine Gravuren machen den seichten Wellengang erkennbar und lassen verschiedene Materialien wie den Stoff von Segel und Kleidung greifbar werden. Passend eingesetzte Holzstrukturen sorgen für eine dreidimensionale Wirkung der Anhöhe im Vordergrund.
Ursprünglich waren die Hölzer sicher alle bunt gefärbt. Verhältnismäßig gut gehalten hat sich die Farbigkeit der Grüntöne, Rückstände von Rot sind im Bereich der Kaimauer erahnbar. Das Blau des Wassers hingegen ist gänzlich verblichen, ebenso wie das des Horizontes, der nun umrisshaft an einen Gebirgszug erinnert, ursprünglich aber in variierenden Blautönen eine aufziehende Wolkendecke dargestellt haben könnte.
Öffnen wir den Zylinderverschluss, so ergibt sich ein geräumiger Schreib- und Arbeitsplatz mit acht Schubladen, vier Schubladenblenden und einem zentralen Rolleaufach, hinter dem sich vier weitere kleine Schublädchen verbergen. Hier, bestmöglich vor Sonnenlicht geschützt, vermittelt die originale, sehr gut erhaltene Grünfärbung einen Eindruck davon, in welch satter Farbigkeit das ganze Möbelstück einst ausgestaltet war.
Reichhaltige, geometrische Einlegearbeiten dominieren das Bild auch im Schreibfach. Selbst die untere Kante des Zylinderverschlusses ist mit einem hell-dunkel kontrastierenden Fries eingelegt - hier zeigt sich die außergewöhnlich große Liebe zum Detail.
Zwei durch einen Ring verbundene Täubchen als zentrale Marketerie im Innenleben legen die Vermutung nahe, dass der Sekretär ursprünglich als Hochzeitsgeschenk gefertigt wurde, dafür sprechen auch die symbolträchtigen Einlegearbeiten auf den Seiten des Möbelstückes.
Wissenswertes:
Marketerien wie diese sind aus Ostfrankreich bekannt. Auch der Verzicht auf aufwendige Bronzen spricht für die eher ländlich geprägte Gegend im Elsass.
Ein in der Art vergleichbarer Zylindersekretär wurde 1789 von Nikolaus Camus in Weißenburg im Elsass gefertigt und ist heute im Besitz des Historischen Museums der Pfalz in Speyer. Vergleichen Sie dazu bitte das beigefügte Foto der Seite 94 aus dem Katalog Die Neuzeit, herausgegeben 1995 vom Historischen Museum der Pfalz in Speyer.
Wundert man sich über die niederländisch anmutende Hafenszenerie bei dem hier angebotenen Möbelstück, so kann dies Thema zum Einen mit der Hochzeit der Beschenkten zusammenhängen, zum Anderen sind auch andere Möbelstücke mit maritimen Szenen aus der Gegend bekannt, wie ein 1776 in Zweibrücken entstandener Zylindersekretär, der bei Kreisel/Himmelheber - Die Kunst des deutschen Möbels III Abb. 169 zu finden ist oder ein um 1760 in Strassbourg gefertigtes Zylinderbureau, das bei Francoise Léwy-Coblentz L'Art du Meuble en Alsace - PLANCHE CXL auf Seite 330 abgebildet ist.
Zustand:
Restaurierter und alltagstauglicher Zustand mit einer Schellack Handpolitur.
Françoise Lévy-Coblentz - L’art du meuble en Alsace au siècle des Lumières S. 330
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Frankreich
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Mahagoni
Mitte 19. Jahrhundert